Psychoanalyse und Film: Requiem for a Dream

Filmveranstaltung am 17.07.2023 um 20.00 Uhr im Kinocenter Gießen (zertifizierte Fortbildung, 4 Punkte)

Dr. med. Wolfgang Enke moderiert

Requiem for a Dream

USA 2000   FSK 16 Jahre
Regie:         Darren Aronosky
Darsteller:  Ellen Burstyn, Jared Leto, Jennifer Connelly u.a.                  
Länge:        97 Minuten

 

Sara Goldfarb (erschütternd: Ellen Burstyn) ist in einem Alter, das im Marketing heute beschönigend „Best Ager“ genannt wird. Mit ihr erleben wir stattdessen die Schattenseiten des Alters. Mitten in Brooklyn lebt die Witwe vereinsamt und depressiv. Ihr einziger Sohn Harry (Jared Leto) besucht sie selten und nur, um ihren Fernseher zum Pfandleiher zu bringen, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren, eine Katastrophe für Sara, deren Freizeitbeschäftigung eine Fernsehshow ist, in die eingeladen zu werden sie sich erträumt. Ihre (Sehn-) Sucht nach Bedeutung und Gesehenwerden nimmt zunehmend obsessive und selbstzerstörische Formen an. Verstärkt durch die Einnahme von Appetitzüglern beginnen die Grenzen zwischen Wünschen und Realität sich aufzulösen ...

Die jungen Protagonisten des Films, Harry, dessen Freundin Marion und sein Kumpel Jerome sind leider kein positiver Gegenentwurf zu diesem Lebensmodell. Trotz guter Vorsätze und Talente sind auch sie von unrealistischen Vorstellungen getrieben, ihrem Streben nach schnellem Geld und raschem Erfolg, nicht zuletzt von ihrer Heroinabhängigkeit.

Die stofflichen und nichtstofflichen Drogen verhelfen nur vorübergehend zu einer Flucht aus trostloser Realität. Sie dienen der Abwehr scheinbar unerträglicher Affekte von Trauer und Schmerz, werden aber rasch zum Katalysator einer Abwärtsspirale. Kann das Ankommen am Boden der Tatsachen Ausgangspunkt eines Neubeginns sein?

In „Requiem for a Dream“, der Verfilmung des Kultromans von Hubert Selby Jr., dekonstruiert Darren Aronofsky die fragwürdige Ideologie des amerikanischen Traums in Form eines filmischen Frontalangriffs auf den Zuschauer. Aronofsky macht es dem Kinogänger nicht leicht. Die abgewehrten negativen Gefühle werden durch die filmischen Mittel, teils drastische Bilder, schnelle Schnitte, Sound etc., analog zu den Heroinspritzen quasi in den Zuschauer hinein-injiziert, eine von Filmwissenschaftlern gern „performativ“ genannte Darstellungsweise. Zitat einer Zuschauerin: „Der beste Film, den ich jemals gesehen habe - und nie wieder sehen will.“ - Deshalb unbedingt anschauen! - Vielfach preisgekröntes Filmdrama, das Darren Aronofskys Ruhm als Regisseur und Autorenfilmer begründet hat (u.a. „Black Swan“, aktuell „The Whale“).